Die dunkle Seite der Wikipedia

(aktualisiert am 19. 12. 2016)

Sozusagen als Warnung für alle Wikipedianutzer, die sich über theologische Themen („Jesus”, „Paulus”)  oder auch Politik, Geschichte und sog. „Verschwörungstheorien” informieren wollen, empfehle ich ein Video über die „dunkle Seite der Wikipedia” , eine höchst aufschlussreiche Dokumentation von Markus Fiedler und Frank-Michael Speer. Die beiden werfen einen Blick hinter die Kulissen von Wikipedia, der angeblich so „freien” Internetenzyklopädie.  Die naturwissenschaftlichen Artikel werden positiv gewürdigt, nicht so die gesellschaftwissenschaftlichen, politischen oder historischen.

In diesem Zusammenhang fällt ein Name, der jedem, der sich einmal näher mit Wikipedia-Artikeln der letzteren Art  beschäftigt hat, bekannt sein dürfte. Es geht um „Jesusfreund” und „Kopilot”. Hinter den Pseudonymen verbirgt sich, wie man inzwischen weiß, ein Klavierlehrer aus der Nähe von Osnabrück, der über Jahre zusammen mit anderen im deutschen Wikipedia-Projekt eine Art Meinungskartell errichtet hat. Gnadenlos wurde und wird alles zensiert, umformuliert oder gestrichen, was nicht in den Kram passt(e). „Da lebt jemand”, heißt es auf Plus-Pedia (einer Alternativseite zu Wikipedia)   seine Allmachtsfantasien in der Anonymität aus.” Sein Handwerk hat „Kopilot”, wie es scheint, bei der Antifa gelernt. An Selbst- Sendungsbewusstsein fehlt es ihm nicht. An Selbstkritik dagegen sehr; im Originalton: „WPs Hauptproblem Nr. 1 sind Faulenzer, Schwafler, Wichtigtuer und Konfliktsucher, die keine Ahnung von einem Thema haben, sie auch nicht anzueignen versuchen und hauptsächlich wegen ihrer asozialen Konfliktsucht dabei sind.”

Nach meiner Meinung sollten Wikipedia-Artikel in Zukunft nur noch mit Namen und unter Nachweis beruflicher oder akademischer Qualifikationen erstellt bzw. überarbeitet werden können. Sonst passiert eben dies: dass beispielsweise ein Klavierlehrer aus Melle das enzyklopädische theologische Wissen in Deutschland vorgibt. Alles nach dem Motto: „Sie können mir glauben, dass ich alles über Theologie weiß – schließlich ich bin von Beruf Klavierlehrer!“

Wer zuverlässig und von fachkundiger Seite informiert werden will, sollte in dem derzeit noch im Aufbau befindlichen bibelwissenschaftlichen Portal der Deutschen Bibelgesellschaft (WiBiLex) nachschlagen. Der Artikel zum Stichwort Pseudepigraphie von der Lüdemann-Schülerin Martina Janßen, um nur dies zu erwähnen, zählt zu dem Besten, was man derzeit zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum lesen kann.

„Kopilot” alias „Jesusfreund” – nomen est omen – hatte (und hat) naturgemäß große Probleme mit Artikeln zum Thema „Jesus-Mythos-Theorie” und „Radikalkritik”. Das verwundert nicht, wenn man seinen historisch-theologischen Standort kennt. Für den Leser, der näher wissen will, mit wem er es zu tun hat, hat der jesusfreundliche Kopilot seinen „POV“ (Point of view) folgendermaßen formuliert:

Gerade weil es Jesus von Nazaret gab und er keine „Kirche“ wollte, sondern irdische, reale Gerechtigkeit für die Armen, ist radikale Kritik der „herrschenden Verhältnisse“ von Religion, Gewalt und Ausbeutung Pflicht jedes Jesusanhängers, egal ob getauft oder nicht, egal ob in oder außerhalb der Kirchen.

Mit anderen Worten: Unter „Radikaler Kritik“ versteht Jesusfreund/Kolpilot keine historische Kritik der christlichen Religion, sondern immer nur die – nach seinem Glauben – von Jesus eingeleitete Kritik der „herrschenden Verhältnisse von Religion, Gewalt und Ausbeutung“. Und weil diese Kritik nach seiner Meinung ohne historische Initialzündung durch einen Archegos  in der Luft hängen würde, muss es einen historischen Jesus gegeben haben (theoretisch hätte auch ein historischer Spartakus genügt, aber dann hätte das Vorbild natürlich nicht die religiös verpflichtende  Wirkung). Lässt sich der Übergang von einer historischen Wunschvorstellung zur historischen Tatsache naiver und treuherziger ausdrücken?

„Die sogenannte ‚Radikalkritik‘ in der NT-Forschung“, so der Klavierlehrer, der jetzt auch noch damit begonnen hat, einen Artikel über die Holländische Radikalkritik zu editieren, weiter „war eine zeitbedingte Folge der liberalen historischen Kritik, die der Kirche durch Bestreiten eines historischen Jesus und ggf. auch eines historischen Paulus ihre Grundlage entziehen wollte. Diese Form der Kritik hat sich forschungsgeschichtlich nicht durchgesetzt, weil die Quellen trotz aller Unklarheiten und Widersprüche so nicht zu erklären sind.“

Klar doch, Jesusfreund. Noch irgendwelche Fragen, lieber Leser?

Überraschend ist vor allem die Präsenz des Mannes, der, wie es scheint rund um die Uhr vor seinem PC zu sitzen scheint.  Er  erfüllt  zweifellos einen Fulltimejob, der mit seinem Beruf als Klavierlehrer nicht leicht vereinbart werden kann. Dazu der Freitag: „Kopilot alias Jesusfreund nimmt bei der Editierung des Artikels zu den Terroranschlägen am 11.9.2001 die Spitzenplätze ein. Er schrieb auf Wikipedia innerhalb von vier Jahren über 49.000 Editierungen. Im Januar 2015 schaffte er beispielsweise 2513 solcher Edits. Durchschnittlich 81 am Tag. Da hat jemand viel Tagesfreizeit. Oder Helfer.“ Es wäre eine journalistisch überaus interessante Aufgabe, hier ein wenig weiter nachzubohren. Inzwischen  habe ich den Eindruck, dass wir es mit einem gezielten und sehr professionellen Versuch bestimmter Interessengruppen zu tun haben, die Netz-Enzyklopädie in ihrem Sinne umzugestalten. Ich lasse meinen Eindruck gern korrigieren.

PS. Übrigens, man glaubt es kaum, Kopilot ist immer noch aktiv.  Wer ihn kennenlernen will, sollte nur einmal  einen Korrektur an den von ihm mit Argusaugen und sozusagen rund um die Kirchturmsuhr von Melle überwachten Artikeln anzubringen versuchen.

Interview mit Markus Fiedler. Über „Kopilot“/“Jesusfreund“ ab 33:00. Botschaft: „Verschwenden Sie keine Energie auf Wikipedia.“

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4 Kommentare

  1. Wie wahr, ein alter Bekannter und Hauptakteur des „leisen Faschismus“ der Wikipedia.

    Man sollte aber wirklich nichts auf diesen Kindergarten geben.

    1. Wikipedia ist allerdings für viele immer noch die erste Anlaufstelle. Das sollte man nicht unterschätzen. Auch die Wirkung nicht, die davon für viele (weniger kritische) Leser ausgeht.

      1. Vom Namen her ist eine „Enyzklopädie“ ja ein Werk, das Wissen kindgerecht aufbereitet; es geht also darum, Kindern bzw. geistigen Kindern einen allgemeinen Einstieg in Themen zu bieten, einen Primer, was bislang immer bedeutete, dass die communis opinio präsentiert wird, und wenn man eine Minderheitentheorie zu einem Themenkomplex vertritt, darf man eigentlich nicht erwarten, dass die eigene Theorie überall eingearbeitet wird, also z.B. Ihre Forschung im Paulus-Lemma, unabhängig davon, dass ich dies begrüßen würde.

        Nun ist aber die Wikipedia so umfangreich geworden, umfangreicher als jede gedruckte Enzyklopädie, für die obige Regeln vielleicht einst galten, und somit würde es sicherlich nicht schaden, auch abweichende Theorien in ihrem korrekten Kontext zu präsentieren, nicht nur im Artikel zum Autor einer solchen abweichenden Theorie – aber dann schreiten leider die lange bekannten Cerberi ein, Kopilot/Jesusfreund, Phi & Co.

        RE: „Nach meiner Meinung sollten Wikipedia-Artikel in Zukunft nur noch mit Namen und unter Nachweis beruflicher oder akademischer Qualifikationen erstellt bzw. überarbeitet werden können.“

        Dies gibt es bereits, nämlich das Citizendium, gegründet von Larry Sanger, dem Mitbegründer der Wikipedia, der die Probleme schon früh erkannt hat. Leider aber ist dieses Projekt im Sande verlaufen; die Übermacht der Wikipedia scheint einfach zu groß.

  2. Wikipedia ist eine faktische Macht, eben deshalb, weil ein interessierter Durchschnittsbürger weder Zeit noch Lust verspüren wird, theologischen Fragen mit Akribie nachzugehen. Nicht zuletzt Denkfaulheit und Desinteresse sind die prägenden Aspekte, wenn es um Fragen der ach so wichtigen Religionen geht.
    So bleibt nur zu hoffen, dass genügend Versierte den Kampf an der Stelle aufnehmen, wo er demzufolge nur effektiv stattfinden kann und muss: auf den Seiten von Wikipedia!
    Es würde ja schon genügen, wenn auf die Bücher von Specht, Detering, Lüdemann, Kubitza und (ich scheue keine Eigenwerbung, weil es ohnehin nicht um einen fairen Wettkampf geht!) auch auf meine beiden Bücher
    „Denken statt glauben – Wie das Christentum wirklich entstanden ist“ und
    „Jesus, Römer, Christentum – Makaberste Tragödie des Abendlandes“ hinzuweisen.
    Kaum jemand ist vollkommener Herr seiner Gefühle, aber jeder sollte doch den Anspruch an sich richten, Herr des eigenen Verstandes zu sein.
    Das Christentum könnte einem Denkenden egal sein – wenn es eben nicht von den Kirchen bis heute für ihre Zwecke instrumentalisiert werden würde.

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