Inszenierte Fälschungen – Die Paulusbriefe in der holländischen Radikalkritik

Das Buch basiert auf meiner 1992 bei Peter Lang in der Reihe Kontexte erschienenen Dissertation: Paulusbriefe ohne Paulus? Die Paulusbriefe in der holländischen  Radikalkritik. Für die Neuausgabe wurde der Text gründlich korrigiert, überarbeitet, außerdem teilweise gekürzt und der neuen Rechtschreibung angepasst.

Auf die seit 1992 veränderte Forschungslage bin ich nur sporadisch eingegangen, sonst hätte das letzte Kapitel neu geschrieben werden müssen. Lediglich dort, wo sich radikalkritische und heutige Forschungsposi­tionen wieder eng berühren (Ignatiusbriefe, 1. Clemens­brief), wurden Hinweise auf die moderne Literatur eingestreut.

Ich hoffe, dass die Neuauflage für Interessenten eine les- und bezahlbarere Alternative zur Erstausgabe darstellt.

Inhalt: Als „holländische Radikalkritik“ bezeichnet man eine im 19. Jahrhundert aufkommende Richtung der neutestamentlichen Wissenschaft. Ihre Vertreter bestritten sowohl die historische Existenz Jesu als auch die Echtheit sämtlicher Paulusbriefe. Das Buch informiert über die Thesen und Argumente der von der Forschung vielfach ignorierten niederländischen Kritiker, unter besonderer Berücksichtigung der Paulusbriefe. Dabei zeigt sich, dass keine Veranlassung besteht, die wissenschaftliche Arbeit der Radikalkritiker als „Irrweg“ der Forschung abzuqualifizieren. Die von ihnen aufgeworfenen Probleme sind vielfach ungelöst geblieben. Ihre Thesen sollten einer vorurteilsfreien Prüfung unterzogen werden.

Leseprobe

Korrekturanmerkung:   Leider ist in der Grafik der Taschenbuchausgabe, auf Seite 149 (eine schematische Darstellung des Verhältnisses der Synoptischen Evangelien zueinander nach der Sicht van den Bergh van Eysingas), ein kleines, aber wichtiges Strichlein „unter den Tisch gefallen“. Nach van den Bergh van Eysingas  wohlbegründeter Annahme soll  der Verfasser des Markusevangeliums bereits eine Version des Matthäus-Evangeliums gekannt haben. Mk soll eine umgearbeitete und bewusst gekürzte Version des Mt sein. Also bitte noch einen kleinen Strich zwischen Mk und Mt einzeichnen (unten in der Zeichnung rot). Das Versehen wurde inzwischen korrigiert.

Facebooktwittergoogle_plusredditlinkedinmail

2 Kommentare

  1. Ich habe mir das Werk heute in der Buchhandlung abholen können. Klasse !!! Endlich kann man sich mit diesem interessanten Buch auseinandersetzen. Danke Herr Detering, dass sie eine Veröffentlichung möglich gemacht haben.

  2. Herrn Detering zu danken, dass er sein vor Jahren erschienenes Werk mit dem markanteren Titel „Paulusbriefe ohne Paulus? Die Paulusbriefe in der holländischen Radikalkritik“ neu aufgelegt hat. Aufgrund dieser Neuauflage besteht zumindest die theoretische Hoffnung, dass aufgrund des erschwinglichen Preises gegenüber seiner Erstauflage sich mehr Interessierte in der Diskussion einfinden.

    Bemerkenswert ist, dass viele Autoren der „Holländischen Radikalkritik“ Theologen waren und sogar bis zu ihrem Lebensende geblieben sind. Einig waren sie sich hinsichtlich der Einstufung aller Paulusbriefe. Diese hätten mit einem Paulus, wie er in der Apostelgeschichte in Erscheinung tritt, nichts zu tun. Auf die zeitliche Reihenfolge zwischen ApG und Paulusbriefe wird nirgends eingegangen – eine Unterlassung. Ergebnis: Alle Briefe sind spätere Abfassungen nach 100. Auf die herkömmlichen Diskussionen hinsichtlich Interpolationen, Stückelungen oder Erfindung einzelner Abschnitte oder gar ganzer Briefe kommt es überhaupt nicht mehr an.

    Einige Holländer sahen noch ein denkbares Christentum ohne einen historischen Jesus vor sich, was sicherlich dem Zeitgeist geschuldet war. Ein Leben ganz ohne Christentum war offensichtlich nicht denkbar.

    Welche Rolle ein deutscher Bruno Bauer gespielt hat, wird auch deutlich, egal wie eng oder beiläufig man das Wissen über einander einstufen möchte. Als erstem Vorkämpfer in der Paulus-Kritik war er für die etablierten Theologen zwangsläufig ein rotes Tuch und wurde entsprechend diffamiert. Wer seine Ausführungen liest, sieht, dass erst gar nicht versucht wurde, seinen Argumenten ernsthaft zu entgegnen. Das beste Argument, das aufgefahren wird, ist immer das der „Voreingenommenheit“, „Subjektivität“ oder „Parteilichkeit“ – in lächerlichster Verkennung, dass man dies den Kritikern oft mit mindestens gleicher Berechtigung entgegenhalten könnte.

    Es spricht einerseits für die Wissenschaftlichkeit Herrn Deterings, wenn er sich strikt aus Wertungen hinsichtlich der Argumentationen und Schlussfolgerungen heraushält, andererseits empfinde ich es als nicht mehr zeitgemäß, und es überzeugt nicht, wenn nach umfangreichen Darlegungen seine Schlussfolgerung und Wertung „offen“ bleibt. Auch wenn ein Autor zum Ergebnis kommt, dass er kein abschließendes Urteil fällen möchte, wäre es immerhin für die Leser von Interesse, welche Eindrücke er selbst aufgrund der angegebenen Literatur gewonnen hat. Dabei könnte auch ein Hinweis nützlich sein, dass es keinerlei Anhaltspunkte für echte Brief aus der Zeit um 50 von einem Paulus gibt, wie er in der Apostelgeschichte geschildert wird. Ob man die Apostelgeschichte als glaubwürdiges Dokument ansehen kann, dürfte nicht zuletzt aufgrund ihrer „Wunderorientierung“ einem heutigen Menschen äußert fragwürdig erscheinen. Über Theologen muss ich mich da schon wundern. Dass der angebliche Verfasser Lukas jedoch keinerlei Briefe eines Paulus kennt (wie mehrfach von den Kritikern gesehen wird), lässt sich auch mit den anzutreffenden theologischen Klimmzügen mehr vom Tisch wischen. Untersucht wurden von den „Hölländern“ vor allem die sogenannten Hauptbriefe, und dabei besonders der Brief an die Galater und der Römerbrief. Aber auch die anderen Briefe werden – mit bestätigender Erkenntnis – doch kurz in Augenschein genommen. Alle Briefe werfen immer wieder Fragen zum Anlass, zu Absender- und Empfängeradressen, zum „Sitz im Leben“, der Gegner und hinsichtlich der Eindeutigkeit von Aussagen auf.

    Herr Detering stellt in einem längeren Teil die Lebensumstände und Werdegänge der größtenteils um 1880 tätigen Autoren dar und referiert sowohl deren Argumente als auch die ihrer herkömmlichen Gegner. Dass es für ein historisch begründetes Christentum ohne einen Paulus mit seinen Briefen schlecht aussehe, springt wohl jedem Gläubigen und Kritiker ins Auge. Ein Jesus gibt für die Theologie nur wenig her. Insgesamt werden durch die ausgebreiteten Argumente m.E. genügend Aspekte ins Feld geführt, die eine alternative Sichtweise gar nicht mehr zulassen. Aber diese Schlussfolgerungen mag der Autor stillschweigend dem Leser überlassen.

    Neben den vielen theologischen Komponenten mit dem dieser Verfasser bzw. diese Verfasser mit ihrem Paulus in Briefen aufwarten, sind es eben die Widersprüchlichkeiten in den Briefen selbst, die eine viel spätere Abfassung nahelegen. Dazu mag man das Buch lesen. Leider habe ich in noch keinem einzigen Buch zum Thema Paulus eine Antwort auf die naheliegende Frage gelesen, wie man sich denn seine Ankunft in Rom vorstellen soll. Nach 60 wäre er in herkömmlicher Sichtweise immerhin ein bekannter Missionar und Gemeindegründer gewesen, der mit dem längsten Brief der Antike eine römische Gemeinde verwirrt, aufgeschreckt oder beglückt hätte. Sein Eintreffen hätte jedenfalls Spuren hinterlassen müssen. Gerade wenn man eine christliche Gemeinde voraussetzt. Ein „Versacken“ seiner Person, seiner Briefe und gerade seiner Theologie bis zum Eintreffen Marcions in Rom um 140 ist schließlich vollkommen unbegreiflich. Nach über 70 Jahren dann eine komplette Überraschung? Wo war Petrus zu dieser Zeit? Hat man einen Paulus in einem Blumenmeer gefeiert, riefen die Juden zu einer Hinrichtung auf, gab es gar Straßenschlachten, oder wurde er mit faulen Eiern beworfen? Welche Christen sollten denn in Rom auf ihn gewartet haben? Es könnten ohnehin nur Judenchristen gewesen sein, die zuvor in Jerusalem nichts zu seiner Rettung unternommen hätten. Für dass alles gibt es eben nur eine Antwort: Es gab nie einen historischen Paulus, der in Rom angekommen ist; es gab keinen Gemeindegründer und keinen reisenden Glaubensstreiter; es gab gnostisch gefärbte Briefe, die ein später verketzerter Marcion um 140 zur Überraschung aller vorlegte und mit deren Kenntnis die Kanonisierung des NT angestoßen wurde. Aufgrund der zwangsläufig erforderlichen Bearbeitung und Ergänzung dieser Vorlagen durch die Kirche rühren die „Unpässlichkeiten“, die diesen Paulus in so merkwürdigem Licht erscheinen lassen.

    Da Herr Detering großen Wert auf eine wissenschaftliche Untersuchung legt und dies schon allein mit dieser Neuauflage dokumentiert, darf man gespannt sein, wie – und vor allem: ob – sich die (angebliche) Wissenschaft dieser Fragen und Probleme annimmt. Man darf vermuten: durch Schweigen. Mit jedem Rettungsversuch und Nachweisversuch der Historizität eines Paulus und der Echtheit seiner Briefe wird gewiss immer deutlicher, mit welch einem Flickenteppich diese christlichen Quellen aufwarten. Die Kirche hat vermutlich viel Glück, dass die Echtheit von Paulusbriefen allein in ihrem Einflussbereich thematisiert wird und die Öffentlichkeit jegliche Berührung mit theologischen Themen scheut. Leider kommt der gesunde Menschenverstand so nicht zu Wort.

    Einem an Wahrheit, Wahrscheinlichkeit, Glaubhaftigkeit oder Historie interessierten Leser kann man dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Die Argumente werden klar herausgearbeitet. Allerdings leidet die Nachvollziehbarkeit, wenn Gegenäußerungen nur kurz referiert werden. Aber keine Seite kommt insgesamt dadurch „zu kurz“. Bemerkenswert ist schließlich der Umstand, dass nunmehr über 100 Jahre vergangen sind, ohne dass diese Argumente überhaupt nennenswert gewürdigt wurden. Der Grund dafür ist allerdings für einen außerhalb von Kirche und Theologie Stehenden „mit Händen und Verstand“ zu greifen. Die „Inszenierten Fälschungen“ im Titel beziehen sich wohl kaum auf den Untertitel mit „Die Paulusbriefe in der holländischen Radikalkritik“. Wenn man es anders sieht, könnte man im Titel aber doch eine Meinung des Autors herauslesen.

Kommentare sind geschlossen.