Falsche Zeugen

Hat Jesus wirklich gelebt?

Nach Ansicht der meisten Theologen und Historiker ist die geschichtliche Existenz Jesu von Nazaret nicht nur durch christliche, sondern auch durch außerchristliche Quellen klar bezeugt. Als „Kronzeugen“ gelten vor allem die antiken Historiker Josephus, Tacitus, Sueton sowie der römische Literat und Statthalter von Bithynien, Plinius der Jüngere.
Moderne Untersuchungsmethoden lassen die Ursprünge des Christentums in einem neuen Licht erscheinen. Stammt das Testimonium Flavianum, in dem vom „weisen Mann“ Jesus die Rede ist, tatsächlich aus der Feder des Josephus? Hat es die neronische Christenverfolgung wirklich gegeben? Handelt es sich beim „Chrestus“ des Sueton um Jesus? Wie authentisch sind die „Christenbriefe“ des jüngeren Plinius?
Es zeigt sich, dass die angeblichen „Jesuszeugnisse“ weder einen historischen Jesus von Nazaret noch die Existenz eines frühen Christentums im 1. Jahrhundert bezeugen können. Die negativen historischen Resultate werfen die Frage nach der Bedeutung der Geschichte für den christlichen Glauben auf.

Aus dem Inhalt

Christliche Interpolationen bei Flavius Josephus * Tacitus: Der Brand Roms und die „neronische Christenverfolgung“ * Plinius der Jüngere – Christenverfolgung in Bithynien * Leben und Werk des jüngeren Plinius * Sueton: Christus in Rom – Sueton und seine Biographien römischer Kaiser * Mara bar Serapion: der „weise König“ * Thallus: Ein Hinweis auf die Passionsgeschichte? * Das Schweigen nichtchristlicher Quellen

Hermann Detering: Falsche Zeugen  – außerchristliche Jesuszeugnisse auf dem Prüfstand Alibri-Verlag  2011

Neue Zweifel an der historischen Existenz Jesu – Interview mit dem hpd (30. Sep. 2011)

Rezension von Karl-Wilhelm Niebuhr, ThLz 139 (214) 4

Detering, Hermann: Falsche Zeugen. Außerchristliche Jesus-Zeugnisse auf dem Prüfstand. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2011. 243 S. Kart. EUR 19,00. ISBN 978-3-86569-070-8.   

Hermann Detering, Jahrgang 1953, ausweislich seiner Website 1992 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin bei Walter Schmithals mit einer Arbeit über die holländische Radikalkritik zu den Paulusbriefen promoviert, lebt heute als pensionierter Pfarrer und Autor in der Altmark. In der Tradition radikal-historischer Jesus-Forschung  (passend zum 100. Jahrestag von Arthur Drews’ »Christusmythe«) in überprüft er in dem vorliegenden Buch die immer wieder als Belege für die Existenz Jesu herangezogenen antiken außerchristlichen Quellen Josephus, Ant 18,63 f.: Tacitus, Ann. 15,44; Plinius, Ep. X; Sueton, Claud. 25,4; Mara bar Serapion, Thallus), mit durchweg negativem Ergebnis. Am Ende will er die Frage beantworten, ob mit der Bestreitung der Historizität Jesu auch das Christentum hinfällig zu werden drohe. Antwort: »Allein schon aus religiösen Gründen wäre es also dringend geboten, sich vom geschichtlichen Glauben eines Küng, Crossan, Theißen usw. zu verabschieden, um hinter der historischen Staffage der Evangelien wieder die Welt der religiösen Bilder und Symbole zu entdecken.« (191) Solche Publika­tionen werden immer wieder interessierte Leser finden. Die Überprüfung eingefahrener Argumentationslinien tut bisweilen auch der Bibelwissenschaft gut. Die Argumentation des Vf.s changiert zwischen philologischer Analyse und essayistischen, nicht selten polemischen Passagen gegen »die Theologen«. Neue Argumente bringt er nicht.  K.-W. N.

Siehe dazu auch meine Erwiderung („Falsche Zeugen“ in der ThLZ).

 Lieber Herr Dr. Detering,

Gratulation zu Ihrem großartigen Buch!

Mit von Seite zu Seite wachsendem Interesse habe ich Ihre tiefgründige Studie gelesen. Sie haben damit wieder ein Werk vorgelegt, das zumindest jeder Theologe zur Kenntnis nehmen sollte und das deshalb in keiner Uni-Bibliothek fehlen dürfte. Geschrieben vom Experten für Experten, aber auch so klar und verständlich verfasst, dass es darüber hinaus auch für historisch interessierte Laien von großem Interesse sein dürfte.

Besonders beeindruckend, wie Sie mit ausgefeilten Mitteln der Philologie und nahezu kriminalistischem Spürsinn einen roten Faden in die für den Laien oft zusammenhanglose Indizienkette bringen und dadurch letztlich so überzeugend argumentieren, dass man die „falschen Zeugen“ auch ohne eigentliche Beweise ihrer gerechten Strafe (der Nichtbeachtung) zuführen kann. Wenn Sie z.B. akribisch untersuchen, ob Tertullian als Vorlage für Plinius gedient haben könnte, wird das Buch so spannend wie ein Krimi. (Dies nur als Beispiel, das für zahlreiche solcher Stellen genannt werden soll.)

Sehr gut also, dass Sie nicht nur die von kirchlicher Autorität immer wieder behütete Autorschaft der einzelnen Dokumente widerlegen, sondern auch die wahrscheinlichen Urheber der Fälschungen einkreisen und benennen (so z.B. S. 41, wo Sie die Interpolation aus der Feder des Eusebius feststellen können). Das geht erfreulich weit über das Bekannte zum Thema außerchristliche Jesus-Zeugen hinaus, wodurch Ihr Buch mehr Aktualität erhält, als man allein dem Thema nach erwarten würde. Glückwunsch also zu dieser wunderbaren Synthese aus umfassender Recherche, philologischem Spürsinn und gelungener Darstellung.

Wissenschaftlich korrekt dann auch das Fazit Ihrer gründlichen Untersuchung, das sich sehr genau mit meinen Befunden deckt: Mit Hilfe der außerchristlichen Quellen kann „weder die historische Gestalt Jesu von Nazareth noch die Existenz eines frühen Christentums im 1. Jahrhundert bewiesen werden.“

Besonders hat mich auch das letzte Kapitel über den Zusammenhang Ihrer Resultate mit dem christlichen Glauben interessiert, zumal ich (für meine Person) in dieser Frage sehr nüchtern und ganz leidenschaftslos bin und bleiben kann. Natürlich werfen die „negativen historischen Resultate … die Frage nach der Bedeutung der Geschichte für den christlichen Glauben auf“, wie im Klappentext sehr richtig festgestellt wird. Mir mag es da ähnlich ergehen wie vielen anderen auch. Ohne historischen Jesus macht das Christentum keinen Sinn, wie wir schon aus dem Glaubensbekenntnis ableiten müssen. Für mich ergibt sich natürlich folgerichtig die Frage: Warum dann überhaupt noch christlicher Glaube?

Ich habe daraufhin noch einmal in Ihrem chinesischen Interview nachgelesen, als Sie dort auf die Frage „Wie können Sie noch Christ sein, wenn Sie so kritisch zur Historizität von Jesus und Paulus stehen?“ antworteten. Sie beziehen sich dort hauptsächlich auf das christliche Wertesystem, auf Tradition und Sozialisation. Wenn dies allein auch nicht immer überzeugende Gründe fürs Christsein sind, so mögen sie doch sicherlich gute persönliche Argumente abgeben, die zu respektieren sind.

Auf Seite 191 empfehlen Sie ganz folgerichtig, anstatt „diese Monstrosität (der isolierten historischen Faktensicht) weiter zu pflegen, täten die Kirchen und ihre Vertreter … gut daran, ihre auf den historischen Jesus fixierte Theologie zu korrigieren…“. Dies, so bin ich sicher, wird nicht geschehen, ist in sich unmöglich, ohne das Christsein selbst aufzugeben. Jesus mag als Person ohne Belang für eine bestimmte Weltsicht und unwichtig für das (und den) Glauben sein, für den christlichen Glauben und noch mehr die christliche Theologie ist er aber unabdingbar.

Zu Recht sprechen Sie auf den letzten Seiten Ihrer „Falschen Zeugen“ von existenziellen Wahrheiten (Stichworte Kruzifix, Symbole, Faust). Gerade Faust (und Goethe selbst) sind gute Beispiele, sich solchen existentiellen Wahrheiten nähern zu können, ohne von christlichem Glauben „abhängig“ sein zu müssen. Und doch bleibt der Theologe Ratzinger bei seiner 1000-jährigen Orthodoxie, kommt ein Drewermann nicht los vom historischen Jesus, klammern sich andere an einen undefinierten Glauben, der oftmals eher unbewusste Spiritualität ist und nicht zwangsläufig an das christliche Bild gebunden sein muss. Vielleicht habe ich hier eine „negative Einstellung“ zum christlichen Glauben, über die Sie im letzten Satz Ihres so ehrlichen Buches sprechen. (Man zeige mir einen tieferen Sinn im Glauben; ein Sinn, der anders nicht erfüllt werden kann. Der Glaube wäre einzigartig und auch mir ohne Zweifel Notwendigkeit. Vielleicht bin ich aber in dieser Frage auch nur unverbesserlich.)

Aber: Kein Mensch soll über seinen Schatten springen (müssen), gut jedoch, dass er dennoch weit über diesen Schatten hinausblicken kann. Wenn dabei unter anderem auch solch ein – in jeder Hinsicht – beeindruckendes Buch wie „Falsche Zeugen“ entsteht, um so besser!!

Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung, nachdenkliche und wahrheitssuchende Leser und – wenn alles gut geht, womöglich sogar – eine würdige Diskussion im Theologenkreis. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.

Ihnen weiterhin alles Gute!

HSP