Noch einmal: das Kreuz mit der Kante

Wegen meines Artikels „Bedford-Strohm, Marx und das Kreuz mit der klaren Kante“ auf der Achse des Guten wurde ich häufig  gefragt, wie ausgerechnet ich dazu komme, die beiden Kirchenmänner, die bei ihrem Jerusalem-Besuch mit Rücksicht auf ihre Gastgeber auf das Tragen des Kreuzes verzichtet hatten, zu kritisieren.

Nun, warum nicht?  In der BILD-Zeitung hatte der jüdische Historiker Michael Wolffsohn, der ebenfalls Kritik am Verhalten der beiden Kirchenrepräsentanten übte,  die „bange Frage“ gestellt: „Müssen wir Juden jetzt die letzten Verteidiger und Bewahrer des Christentums sein?“ Ich denke, dass ein christlicher Theologe und ehemaliger Pfarrer ebensoviel Recht hat, das Verhalten zu kritisieren, selbst dann, wenn er, wie ich, eine Position einnimmt, die vielen Kollegen wegen ihrer extremen historischen Skepsis als theologisch bedenklich erscheinen mag.

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Die dunkle Seite der Wikipedia

(aktualisiert am 19. 12. 2016)

Sozusagen als Warnung für alle Wikipedianutzer, die sich über theologische Themen („Jesus”, „Paulus”)  oder auch Politik, Geschichte und sog. „Verschwörungstheorien” informieren wollen, empfehle ich ein Video über die „dunkle Seite der Wikipedia” , eine höchst aufschlussreiche Dokumentation von Markus Fiedler und Frank-Michael Speer. Die beiden werfen einen Blick hinter die Kulissen von Wikipedia, der angeblich so „freien” Internetenzyklopädie.  Die naturwissenschaftlichen Artikel werden positiv gewürdigt, nicht so die gesellschaftwissenschaftlichen, politischen oder historischen.

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Die heilige Sieben

Wissenschaftler sind immer froh, wenn sie einen Konsens vorweisen können. Er zeigt, dass ihre Bemühungen nicht ganz erfolglos waren und dass es möglich ist, ihrem Fachgebiet durch solide methodische Arbeit und vernünftige Argumente eine gediegene, allgemein anerkannte Basis zu geben.

Dass in der „seriösen Wissenschaft“ sieben Paulusbriefe als echt gelten, ist inzwischen ein von Verfassern neutestamentlicher Einleitungen, Kommentare und Paulusmonographien so oft repetiertes Urteil, dass man meinen könnte, der Glaube an sieben echte Paulusbriefe sei unter Theologen inzwischen weiter verbreitet als der an die Heilige Dreifaltigkeit.[1] Und doch sei daran erinnert, dass die vermeintliche Einheitsfront von Neutestamentlern durchaus manche Lücke aufweist.

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Unerfindlich?

Gegen eine mythologische Evangelienerklärung wird oft eingewandt, bestimmte Passagen in den Evangelien hätte sich niemand ausdenken können, sie seien „unerfindlich“, mithin „historisch“. In unterschiedlichen Variationen war dieses Argument schon sehr früh gebraucht  – und ebenso früh widerlegt worden. Angesichts dessen ist es verwunderlich, dass es gleichwohl bis heute immer wieder in Diskussionen auftaucht.

Grundsätzlich wird man sagen müssen, dass diese Argumentation einer gewissen Willkür nicht entbehrt. Denn ob etwas „unerfindlich“ ist oder nicht, hängt immer auch von der Perspektive des jeweiligen Betrachters und nicht zuletzt von dessen eigener Phantasie ab. Falls seine Phantasie nicht besonders groß ist, wird er sich natürlich vieles nicht vorstellen können, was sich jemand mit mehr Phantasie durchaus vorstellen kann. Von einem Schriftsteller wird man eine größere Phantasie erwarten dürfen als von einem trockenen Finanzbeamten oder einem braven Universitätsprofessor, dem ein Zuviel überdies schnell zum Verhängnis werden könnte. Wenn also behauptet wird, etwas sei „nicht vorstellbar“ bzw. „unerfindlich“ sei, so will dies noch nicht viel besagen.

Das Kreuz als „Schandmal“?

In einer TV-Diskussion, die ich Ende 2014 mit den beiden Neutestamentlern Annette Merz und Klaus Wengst zum Thema: „Jesus – Mythos oder Wahrheit“ führte und in der ich die radikalkritische Position verteidigte, hielt mir der emeritierte Professor der Bochumer Ruhruniversität entgegen, dass das Kreuz in der Antike als „Schandmal“ gegolten habe und meine ganze Argumentation infolgedessen nicht stimmen könne.[1]

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Zweifel am historischen Weltenheiland

Eine Buchrezension von M.B.

„In seinem Buch „Jesus? Tatsachen und Erfindungen“ geht Harald Specht der Frage nach, ob Jesus von Nazareth gelebt hat. Anders als die meisten Autoren setzt Specht die Historizität Jesu nicht als eine unhinterfragbare Tatsache voraus, um dann auf der Grundlage der Evangelien viel oder wenig über einen “historischen Jesus” zu wissen zu bekommen. Spechts Interesse an Jesus ist denn auch nicht theologischer, sondern historischer Natur. Der Vorteil seiner unvoreingenommenen Perspektive besteht gegenüber herkömmlichen Jesusbüchern darin, dass sie den Blick weitet und die Möglichkeit einer anderen Geschichte des frühen Christentums überhaupt erst zulässt: „Zeigt sich, dass an der historischen Existenz Jesu eher gezweifelt werden muss, steht weiter zu untersuchen, was zur Erfindung dieser fiktiven Figur führte. Dies mag Irrtümer im Rahmen der Befürwortung eines historischen Jesus klären helfen.“

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Paulus, Markus und andere Verwechslungen

Richard Carrier über den Gefälschten Paulus

Engl. version: Paul, Mark, and other substitutions: Richard Carrier on The Fabricated Paul

Schon seit Längerem wurde ich von Freunden gebeten, den Blog-Beitrag von Richard Carrier, The Historicity of Paul the Apostle, aus dem Jahre 2015 zu erwidern, worin dieser sich auch über meinen Gefälschten Paulus äußert.[1] Ich tue dies ein wenig verspätet, was teils mit anderweitiger Beschäftigung, teils damit zu tun hat, dass ich bisher nur wenig Lust zu einer Auseinandersetzung verspürte, die notwendig unerfreulich sein würde. Da man mir aber sagte, dass die Ausführungen nicht unwidersprochen bleiben können, will ich der Bitte nachgeben.

Von der Naturphilosophie des frühen Römischen Reiches zu Paulus

Verwundert war ich darüber, dass Herr Carrier erklärte, er könne meine Qualifikation auf diesem Gebiet, also dem der neutestamentlichen/paulinischen Forschung, nicht beurteilen.[2] Herr Carrier muss das auch gar nicht, da andere das vor ihm getan haben. Er darf sich getrost darauf verlassen, dass jemand, der eine Dissertation über Paulus verfasst hat, die von einem namhaften deutschen Neutestamentler, Walter Schmithals, betreut wurde,[3] auf dem Felde der paulinischen Forschung nicht ganz unbewandert und durchaus zu qualifizierten Äußerungen imstande ist – gewiss nicht weniger als jemand, der, wie er selber, über die Naturphilosophen des frühen Römischen Reiches promoviert hat.[4]

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Der zeitversetzte Jesus

Zu Lena Einhorns Buch:  A Shift in Time

Engl. Translation by René Salm

Nytt-bokomslagLena Einhorn hat sich in Schweden als Dokumentarfilmerin einen Namen gemacht. In Deutschland ist sie durch das Holocaustbuch: Ninas Reise: wie meine Mutter dem Warschauer Ghetto entkam, bekannt geworden.[1] Im letzten Jahrzehnt rückte die Geschichte des frühen Christentums in den Fokus ihres Interesses. 2006 erschien ihr Buch The Jesus Mystery, das in deutscher Übersetzung unter dem Titel Das Rätsel von Damaskus: waren Jesus und Paulus ein und dieselbe Person? 2007 im Heyne-Verlag erschienen ist.[2] Seit 2010 hielt sie auf den jährlichen Tagungen der SBL eine Reihe von Vorträgen, in denen sie eine neue Hypothese zur Entstehung des frühen Christentums vorstellte. Die Summe ihrer bibelkritischen Arbeit findet sich in ihrem 2016 erschienenen Buch: A Shift of Time. How Historical Documents reveal the surprising truth about Jesus. [3]

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Erinnerung an Ds. E. Frater Smid

 Bild: E. Frater Smid (Mitte) in Berlin, rechts Elke, links Hermann Detering.

Hoe meer de mens twijfelt hoe dichter hij komt bij de waarheid van het bestaan
– Bevrijdende twijvel, 98.

Berlin, 12. April 2002  Am vergangenen Mittwoch erreichte uns die traurige Nachricht vom plötzlichen Heimgang des radikalen niederländischen Theologen und lieben Freundes „Harry“,  Ds. E. Frater Smid.

Ds. E.  Frater Smid wurde als Sohn eines bekannten niederländischen Reeders am 14. April 1916 in Delfzijl geboren. Seine Jugend verbrachte er in Bloemendaal, wo er das Kennemer Lyceum besuchte. Nach seinem Studium an der Universität von Amsterdam folgte seine Berufung zum Pfarrer der Verenigde Doopsgezinde Gemeente in Haarlem. Frater Smid setzte seine Studien bei Prof. G.A. van den Bergh von Eysinga und seiner Ehefrau Dr. J. van den Bergh van Eysinga-Elias auch nach Vollendung des Universitätsstudiums und seiner Ernennung zum Vorsitzenden der Vrije Gemeente in Amsterdam nach dem Krieg fort.

In den Jahren 1949 und 1950 unternahm Frater Smid eine Studienreise nach Amerika auf  Einladung der Harvard University und der Universalist Church of America.

Allgemeine Bekanntheit erwarb er sich durch seine Vorträge an der Vrije Gemeente in Amsterdam und seine Rundfunkandachten, von denen eine Auswahl in seinem Buch „Als een groenende twijg“, veröffentlicht wurde. In seinem Buch „Bevrijdende Twijfel“ hält Frater Smid ein eindrucksvolles Plädoyer für die befreiende Kraft des Zweifels.

Das Denken Frater Smids wurde sehr stark vom  Hegelianismus seines Lehrers G.A. van den Bergh von Eysinga  sowie von den Einflüssen östlicher und christlicher Mystik bestimmt.

Frater Smid verstarb am 10. April 2002.  Unser Mitgefühl und Beileid gelten der Witwe, Frau Augusta Frater Smid.

 Liefde is het laatst besprekbare, het hoogst begrijpbare en het diepst beleefbare. Hoger dan God en lager dan de duivel  is zij de aldoordringende levenskracht, die alle tegenstellingen waruit de schepping zich opbouwt, ook die van God en duivel, verzoent en verheft tot een hoger niveau  –  Bevrijdende twijvel, 97.

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