Fundierter und spannender Überblick

Rezension zu Hermann Detering:
„Christi Brüder – Wie heidnische Mythen das Christusbild prägten – Eine Revision“, 2017

Von Dr. Dr. Harald Specht

Was den Haupttitel mit Christi Brüder bewusst ambivalent einleitet und bereits im Vorwort in Parenthese gesetzt wird, ist Untersuchungsgegenstand des neuen Buches von Hermann Detering: Die antiken Mysteriengottheiten Attis und Adonis/
Tammuz als heidnische Vorläufer bzw. „Brüder“ Christi.

Ausgehend von den fundamentalen Untersuchungen des schottischen Religionsethnologen J. G. Frazers zum Vergleich von Mythologie und Religion (1890) und den seither diskutierten Parallelen zwischen zahlreichen antiken Gottgestalten, Halbgöttern und Heroen auf der einen und dem christlichen Heiland auf der anderen Seite, analysiert der Autor in einer breit angelegten Übersicht das Für und Wider dieses Ansatzes. Da dieses Thema nicht neu ist und bereits seit über einem Jahrhundert mal mehr und mal weniger tiefgründig aufs Tapet gebracht wurde, kennzeichnet Detering sein neuestes Buch in einem weiteren Untertitel denn auch habil. als „Eine Revision“. Genau in diesem Wortsinn ist dem Verfasser somit eine eingehende Überprüfung und (notfalls auch) Korrektur derartiger Thesen über die „Dying and rising Gods“ möglich.→ weiterlesen

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Wie heidnische Mythen das Christusbild prägten

Eine Revision

Nur der ist ein wahrer Katholik, der die Kathedrale seiner Seele
über heidnischen Krypten errichte
t.
Nicolás Gómez

Besaßen die Evangelisten bei ihrer Darstellung Jesu pagane Vorbilder? Wurde ihr Bild vom leidenden und auferstehenden Heiland durch das Schicksal der „Dying and rising Gods“ bestimmt? Waren antike Mysteriengottheiten wie Attis, Adonis, Herakles, Osiris usw. heidnische Vorläufer bzw. „Brüder Christi“?

Nachdem Religionsgeschichtler und Theologen lange Zeit meinten, gute Gründe für eine solche Annahme zu haben, bahnte sich Mitte des letzten Jahrhunderts ein Wandel an. Einerseits wurden die Parallelen zwischen Jesus und den Mysteriengottheiten zunehmend in Zweifel gezogen. Andererseits hob man wieder die Originalität und Einmaligkeit der neutestamentlichen Jesusgestalt hervor.

Das Buch zeigt, dass die Wissenschaft dabei viel zu pauschal und undifferenziert vorgegangen ist. Häufig war nichts anderes als christliche Apologetik und wissenschaftliche Profilierungssucht im Spiel. Einzelne Korrekturen an der Konzeption der „Dying and rising Gods“ sind durchaus berechtigt. Doch besteht kein Anlass, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Nach wie vor gilt, dass antike Mysteriengottheiten und deren Kulte offenbar entscheidend zur Ausgestaltung des neutestamentlichen Christusbildes beigetragen haben.

Der erste Band beschäftigt sich ausführlich mit Attis, Adonis und Tammuz, ihrem Kult und ihren Festen. Ein weiteres Kapitel ist den mythischen Müttern der Gottheiten gewidmet. Die Beschäftigung mit Kybele, Aphrodite, Astarte/Aschera, Ischtar und Isis gibt zur Auseinandersetzung mit VertreterInnen der sogenannten Feministischen Theologie Anlass.

Das Buch „Christi Brüder“ ist als Kindle Version hier und als Taschenbuchversion hier erhältlich.  HD

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Jan Kozák und die Wiedergeburt des Buddhismus im Christentum

Aleš Pořízka aus Prag, auf dessen Webseite Fidelo ich bereits vor ein paar Monaten hinwies, machte mich jüngst auf den tschechischen Sankskrit-Experten und Autor Jan Kozák aufmerksam, dessen Überlegungen sich an vielen Punkten mit den von mir geäußerten Annahmen zur Genese des frühen Christentums überschneiden. Kozák veröffentlichte unter anderem die kommentierte Übersetzung einiger Texte aus Nag Hammadi unter besonderer Berücksichtigung des Thomas-Evangeliums: Evangelium “neznámého” boha (Das Evangelium des „Unbekannten“ Gottes), Praha, Bibliotheca gnostica 1994, und die kommentierte Übersetzung einer Auswahl von Texten aus Hippolyts Refutatio: Hippolytus: Vymítání všeho kacířstva (Hippolytus: Widerlegung aller Häresien), Praha, Bibliotheca gnostica 1998. Weitere Titel finden sich hier. Ich referiere seine Theorien im folgenden im Anschluss an die mir vorliegende Paraphrase  Aleš Pořízkas.

Nach Kozák ist die ursprüngliche Gnosis weder im Judentum noch im Neuplatonismus entstanden, sondern ist vielmehr ein Produkt der indisch-religiösen Vorstellungswelt (Sankhya und Mahayana-Buddhismus). Kozák ist davon überzeugt, dass der ursprüngliche Dualismus der Gnosis in der jüdischen Umgebung schrittweise zurückgenommen wurde. Dieser Prozess kann ihm zufolge in den in die gnostischen Texte interpolierten alttestamentlichen Zitaten und scheinbaren Parallelen verfolgt werden: Sie zeigen, dass die Gnosis allmählich in ihr materielles Gegenteil, den chtonischen Kult des kanonischen Christentums umgeschlagen ist. Am Ende wurde der höchste Gott der Gnosis mit dem Demiurgen Jahwe, das Kreuz als Symbol der Flussüberquerung mit dem Folterwerkzeug identifiziert, die Zeremonie des Soma-Tranks wurde zum chthonischen Getränk des Blutes Gottes.

Kozák stellt außerdem fest, dass die Zitate in den von Hippolyt zitierten gnostischen Texten oft mit einem doppelten “dicit” auftreten, von denen mindestens ein “dicit” aus Hippolyts Quelle kommen muss – nach Kozák ein Hinweis darauf, dass Hippolyt nur eine einzige Quelle besaß, die Große Verkündigung des Simon Magus. Auf dieser Grundlage gelangt er zu seiner Auffassung, dass Hippolyt nur Simons Schrift zur Verfügung stand und die darin vertretenen Lehren auch auf andere Gnostiker, von denen er in der Regel keine Kenntnis besaß, übertrug. Kozák kommt schließlich zum Schluss, dass der Gründer des Christentums kein anderer als Simon Magus war (die vollständige Argumentation findet sich hier).

Wer an Kozáks Thesen interessiert und des Tschechischen mächtig ist, oder aber über ein gutes Übersetzungsprogramm verfügt, erfährt hier mehr.  HD

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JESUS ON THE OTHER SHORE

Translated by Stuart Waugh (will be published soon)

The Gnostic Interpretation of Exodus and the Beginnings of the Joshua / Jesus cult

In a gnostic interpretation, the Exodus motif has strong affinities with Buddhist-Indian conceptions. An investigation of where and when the thought systems of East and West converge — in this case, Hebrew scripture and Jewish tradition on the one hand, Buddhist and Indian spirituality on the other — leads to the Therapeutae, described by Philo of Alexandria in his De Vita Contemplativa. The Therapeutae were, in all probability, Jewish Buddhists/Buddhist Jews. Their central mysterium consisted of a nocturnal celebration of the Exodus, which they regarded as a passing over from the sensual-material realm (= Egypt) to the rational-spiritual realm (= the wilderness/Holy Land). Strongly rooted in Jewish tradition, the Therapeutae venerated Moses above all, while closely related gnostic Christian groups such as the Peratae and Naasenes perpetuated traditions centered on Moses’ successor, Joshua. For these latter groups, Joshua/Jesus was the counterpart of Moses. The old cult of Moses was superseded and surpassed by the new, gnostic-Christian cult of Joshua-Jesus.

***

Die gnostische Interpretation des Exodus-Motivs berührt sich eng mit buddhistisch-indischen Vorstellungen. Die Frage, wo die beiden Linien, jüdische Tradition und hebräische Bibel einerseits, buddhistische bzw. indische Spiritualität andererseits, konvergierten, führt zu den Therapeuten, über die Philo von Alexandrien in seiner Schrift De Vita Contemplativa berichtet. Bei den Therapeuten handelte es sich höchstwahrscheinlich um jüdische Buddhisten bzw. buddhistische Juden. Ihr zentrales Mysterium war eine nächtliche Feier des Exodus, der von ihnen als Übergang von der sinnlich-materiellen (= Ägypten) zur geistig-intelligiblen Sphäre (= Wüste/Heiliges Land) gedeutet wurde. Frühe christliche Gnostiker wie Peraten und Naassener knüpften daran an. Dabei übertrugen sie jedoch auf den Nachfolger des Mose, Josua, was bei den stärker in der jüdischen Tradition verwurzelten Therapeuten Mose vorbehalten blieb. Jesus/Josua wurde bei ihnen zum Gegenbild des Mose. Der alte Mosaismus sollte durch den neuen, gnostisch-christlichen Josuanismus überboten werden. Der christliche Erlöser Josua/Jesus war, so betrachtet, nichts anderes als ein Ergebnis der jüdisch-buddhistischen Exegese des Alten Testaments. Der „geschichtliche“ Jesus, d. h. Jesus von Nazaret, wurde im Laufe des 2. Jahrhunderts aus dem Bild des alttestamentlichen Josua heraushypostasiert.

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Roland Weber: „Jesus, Römer, Christentum – Makaberste Tragödie des Abendlands“

Rezension von Dr. Dr. Harald Specht

Mit Ockhams Klinge ans Christentum?

Der etwas sperrige Titel des neuen Buches von Roland Weber täuscht: Mit klaren Worten und für jedermann verständlich versteht es der Autor vorbildlich, die Entstehung des Christentums anhand seiner These zu erklären. Zugegeben: Eine „steile“ und „atemberaubende These“, wie der Klappentext die Ergebnisse des Autors zusammenfasst. Danach sei das Christentum eine freie Erfindung des römischen Kaiserhauses zur Zeit des Kaisersohnes und späteren Imperators Titus. Als Spiritus rector und Haupt-Verfasser der Evangelien fungierten hierbei vor allem der zu den Römern übergelaufene jüdische Historiker Flavius Josephus und weitere Komplizen, die Weber unter der griffigen Formel einer „römischen Schreibstube“ subsummiert.

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„Amatoria carmina studiose discunt“ – Basilides und die Oden Salomos

2. revidierte Fassung mit Nachtrag

Dr. Hermann Detering – 22. September 2018

Abstract: Despite repeated attempts, to date scholarship has failed to identify the author of the Odes of Solomon. A scholion by Augustine may provide an overlooked clue and furnishes the basis for renewed investigation. This article argues that the “amatoria carmina” attributed to Basilides by Augustine are in fact the Odes of Solomon. This article examines a series of striking parallels between the theology of the Odes and the theology of Basilides as reported by the church fathers, and it proposes that the author of the „amatoria carmina“ was none other than that early Christian “heretic.”

1.Die Oden Salomos – Verfasserfrage und Datierung

Bei der Bestimmung von Entstehungszeit und Entstehungsmilieu der Oden Salomos bewegte sich die Forschung lange Zeit zwischen den beiden von Michael Lattke 1998 angedeuteten Extremen: Entweder man ordnete sie in die antimarcionitische Polemik des dritten Jahrhunderts ein oder man sah in ihnen das „Produkt einer vom heterodoxen Judentum beeinflußten christlichen Frühgnosis“ und entschied sich für eine Datierung im frühen zweiten Jahrhundert.

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Hinweis

Mein Aufsatz aus dem Jahr 2015: „Die Entstehung der Weihnachtsgeschichte aus dem Geist der frühchristlichen Theologie“ wurde von Aleš Pořízka ins Tschechische übersetzt. Die Übersetzung können tschechische Leser auf der Webseite „Fidelo“ lesen, also  hier.

Auf diesem Wege möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass viele Artikel inzwischen nur noch im Archiv zu finden sind. Wer etwas vermisst, sollte nicht vergessen, hier zu recherchieren.

Der Beitrag Gnostische Elemente in den Paulusbriefen aus dem Jahre 2014 wurde von mir aktualisiert.

 

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Wie das Abendland christlich wurde

Harald Specht: Das Erbe des Heidentums – Antike Quellen des christlichen Abendlands. – Tectum Wissenschaftsverlag, Marburg 2015

Mit seinem Buch „Erbe des Heidentums“ hat der durch eine Reihe kulturgeschichtlicher Sachbücher bekannt gewordene Autor Harald Specht aus Köthen sein Summum opus vorgelegt. Diesmal geht es um Europas geistesgeschichtliche Wurzeln. Auf 700 Seiten erwartet den Leser eine Tour de Force durch die Kultur- und Religionsgeschichte des Abendlandes. Der Inhalt des Buches berührt sich teilweise mit der Thematik vorangegangener Werke. Die Ausführungen über die ägyptische Religion basieren auf Spechts Isis-Buch: „Von Isis zu Jesus – 5000 Jahre Mythos und Macht“ aus dem Jahre 2004 (Neuauflage 2010). Der Inhalt der Kapitel über das frühe Christentum überschneidet sich mit „Jesus? Tatsachen und Erfindungen“ (2010). Bei seiner Beschäftigung mit der antiken Zahlensymbolik konnte der Autor auf die Ergebnisse seines Buches „Der Jahwe-Code – Auf den Spuren der heiligen Zahl“ zurückgreifen.

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Jesus Christus: Was ist belegte Tatsache, was bloße Erfindung?

Eine Rezension von Siegfried R. Krebs

WEIMAR. (fgw) Der zweifach promovierte Naturwissenschaftler Harald Specht beschäftigt sich nicht nur mit materiell-gegenständlichen Dingen, sondern intensiv auch mit geisteswissenschaftlichen Themen: Sei es kunsthistorisch oder religions- und kirchenkritisch. Die Betonung liegt dabei auf wissenschaftlicher Beschäftigung, daher stellt er seinem wohl besten Buch „Jesus? Tatsachen und Erfindungen“ einen bekannten Spruch von René Descartes voran: „De omnibus dubitandum – An allem ist zu zweifeln“. Und eben das unterscheidet Wissenschaft von der Theologie, die nur absolute Wahrheiten verkündigen kann und will. Daher kommt der Frage nach der neutestamentarischen Figur „Jesus“ überragende Bedeutung zu. Steht oder fällt doch mit der Antwort die Religion des Christentums, insbesondere die Institution „Kirche“ mitsamt des Machtanspruches der Priesterkaste über Mensch, Gesellschaft und Staat.

Link zur Rezension

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Das Erbe des Heidentums

9783828835610_1Harald Specht: Das Erbe des Heidentums – Quellen des christlichen Abendlands
ISBN 978-3-8288-3561-0 – 700 Seiten, Paperback – Tectum Verlag 2015

Ausgehend von einem rätselhaften Gemälde der Renaissance-Zeit nimmt Harald Specht seine Leser mit auf eine Reise durch die Jahrtausende der Religionsgeschichte. Vor dem Hintergrund der antiken Religion und Philosophie, der Mythen, Mysterienkulte und esoterischen Geheimlehren zeichnet der Autor ein anderes, ungewohntes Bild auch der Anfänge der christlichen Religion.

In seinem über 600 Seiten starken Buch gelingt es dem Autor, alle Zweifel auszuräumen: Der bis heute anhaltende Eindruck der Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit des Christentums verdankt sich einer geschickten, groß angelegten Geschichtsfälschung. Überzeugen kann die herkömmliche, kirchlich abgesegnete Geschichtsschreibung nur denjenigen, der die historischen Anfänge des Christentums isoliert betrachtet, sich also für die Religion der Antike nicht weiter interessiert, und die Historizität Jesu immer schon dogmatisch voraussetzt.

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